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Sonntag, 5. April 2020

Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten

Keine Blankovollmacht fürs Durchregieren

Georg Restle, der Redakteur von Monitor, hat es aus meiner Sicht auf den Punkt gebracht:
 „Die Corona-Krise ist keine Blankovollmacht fürs Durchregieren und Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung – auch nicht in Krisenzeiten.“ Seinen ganzen Kommentar sehen Sie auf der Seite von Monitor.

Viele Grundrechte außer Kraft

Die Seite Freiheitsrechte.org beschreibt, welche Grundrechte durch das Infektionsschutzgesetz eingeschränkt sind:

  • Freiheit der Person (Art. 2) bei Quarantäne
  • Körperliche Unversehrtheit (Art. 2) bei ärztlichen Untersuchungen en
  • Die Versammlungsfreiheit (Art. 8), da Demonstrationen verboten sind
  • Brief und Postgeheimnis (Art. 10), da Mitteilungen Infizierter gelesen werden dürfen
  • Freizügigkeit (Art. 11), da wir uns nicht mehr frei bewegen können
  • Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13), bei Besuchen des Amtsarztes
Nicht im Artikel enthalten ist die Religionsfreiheit (Art. 4), die durch die Schließung der Kirchen zumindest teilweise außer Kraft ist.

Verhältnismäßigkeit muss gewährt sein

Der Staat darf auch in der aktuellen Ausnahmesituation nur in unsere Grundrechte eingreifen, wenn dies verhältnismäßig ist.
Rene Schlott beschreibt in seinem lesenswerten Beitrag Rendezvous mit dem Polizeistaat einige Beispiele, die an dieser Verhältnismäßigkeit zweifeln lassen.

  • Warum ist das Lesen eines Buches auf der Parkbank verboten (auf dem Fahrrad wäre es erlaubt) 
  • Warum müssen in Bayern Bürger/innen, die sich zu zweit im öffentlichen Raum bewegen, Auskunft über das Verhältnis zu ihrer Begleitung geben? 

Der Ruf nach immer härteren Maßnahmen

Einigen Bürger*innen ist das noch nicht genug, sie fordern härtere Maßnahmen und spielen auch fleißig Hilfspolizist*innen. Jens Spahn, der sich selbst umfassende Macht gegeben hat bzw. geben wollte (siehe Vollmacht für den starken Mann) zeigt sich im Interview in der ZEIT überrascht über die Geister, die er rief: "Mich irritiert der dezidierte Ruf mancher nach immer härteren Maßnahmen."

Fazit

Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich halte mich an alle Regeln und unterstütze diese auch. Wenn ich mich aber im öffentlichen Raum mit einer Person unterhalte und dabei die Regeln einhalte geht es den Staat nichts an, in welchem Verhältnis ich zu dieser Person stehe:
Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten.

Donnerstag, 2. April 2020

Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.

Es ist ernst - Angela Merkels Fernsehansprache Ich habe mich oft über sie geärgert, aber mein Respekt ist im Laufe des Jahres immer mehr gestiegen und ich bin froh, dass sie gerade unsere Kanzlerin ist: Angela Merkel hat mit ihrer Fernsehansprache ein klares Signal gesetzt.
Ich teile die Ansicht vieler Kommentator*innen, die die Rede gelobt haben – klare Aussagen, ohne viel Pathos, Anerkennung für Pfleger*innen und Kassierer*innen. Natürlich gab es auch Kritik, Stefan Braun kritisierte in der Süddeutschen zu viel Pathos, viele hätten sich härtere Maßnahmen erhofft. Aber der Appell war eindeutig: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“.

Wohltuender Unterschied zu anderen Staats- und Regierungschefs

Sie grenzt sich damit auch angenehm von anderen Staats- und Regierungschefs ab. Ich meine nicht nur Donald Trump, dessen unsägliches Verhalten in der Krise noch unangebrachter ist als sonst. Auch ernstzunehmende Staatschefs machen es meiner Sicht nicht besser:
Emmanuel Macron hat in seiner Rede sechsmal den Satz „Wir sind im Krieg“ gebraucht, um anschließend die Teilnahme an der Kommunalwahl zu loben. „Die harte Hand zittert“ analysierte die ZEIT zurecht.

Noch nie da gewesene Einschränkungen

Hier sehen Sie das Video. Im Wortlaut können Sie im Text von NWZ online nachlesen:




Viele Zitate wurden diskutiert und hervorgehoben. Spannend fand ich die Passage, in der es um die Demokratie und ihre eigene Vergangenheit als DDR-Bürgerin geht.

Ich weiß, wie hart die Schließungen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, in unser Leben und auch unser demokratisches Selbstverständnis eingreifen. Es sind Einschränkungen, wie es sie in der Bundesrepublik noch nie gab.

Lassen Sie mich versichern: Für jemandem wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen. Sie sollten in einer Demokratie nie leichtfertig und nur temporär beschlossen werden - aber sie sind im Moment unverzichtbar, um Leben zu retten.

Das ist ein zentraler Punkt: Einschränkungen sind im Moment gerechtfertigt, müssen aber permanent begründet und überprüft werden.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung

Die Kanzlerin sagt weiter:

Wir sind eine Demokratie. Wir leben nicht von Zwang, sondern von geteiltem Wissen und Mitwirkung. Dies ist eine historische Aufgabe und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung! Die Politik lässt sich von Wissenschaftler*innen beraten, das Wissen ist transparent und jede einzelne Maßnahme muss gut begründet und entschieden wird. Dass dies auch schnell gehen kann, hat die Politik in den letzten Tagen bewiesen.
Wir sind aber alle gefordert, dass wir diese Krise möglichst schnell überwinden.

Beschränkung von Freiheit nur in Ausnahmefällen

Demokratie und die Einhaltung von Freiheiten (oder die wohlbegründeten) Ausnahmen sind Themen, die mich sehr umtreiben. In einem weiteren Blog werde ich diskutieren, ob die Demokratie den aktuellen Herausforderungen gerecht werden kann (Spoiler: ich bin davon überzeugt).