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Montag, 27. Juli 2020

Über Care-Arbeit – passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Bereits vor der Corona-Krise waren die Probleme im Bereich der Pflege offensichtlich: viele unbesetzte Stellen, (zu) viele Patient*innen pro Pfleger*in, schlechte Bezahlung.
Neben der Pflege zählen auch Kinderbetreuung und Haushalt zur „Care-Arbeit“ – Tätigkeiten, bei dem es um das Kümmern geht. Diese Tätigkeiten werden überwiegend von Frauen ausgeführt und werden entweder überhaupt nicht oder nur gering bezahlt ist. Zwei Erklärungsansätze stelle ich in diesem Blogeintrag vor.

Passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Lea Hampek und Naikissa Salavati liefern in der Zeitschrift „Plan W“ der Süddeutschen Zeitung Gründe, warum Frauenberufe schlecht bezahlt sind.
Frauen suchen sinnstiftende Arbeit, diese aber haben in einem System, das Waren und Geld produzieren soll, keinen dominanten Platz. Dies ist auch historisch bedingt, denn „Care-Arbeit“ wurde entweder in der Familie oder im Ehrenamt ausgeführt. „Frauenberufe passen nicht in den Kapitalismus“, so das Fazit der Autorinnen. Die Privatisierung und Einführung von Marktelementen hat an dieser Situation nichts geändert – im Gegenteil ist der finanzielle Druck sogar noch gestiegen.

Kümmern sich Pfleger*innen nicht genug um sich selbst?

Auf einen weiteren Punkt verweist Detlef Esslinger in der Süddeutschen Zeitung auf einen weiteren wichtigen Punkt. „Es gibt in der Pflege keine bedeutende Gewerkschaften, die Tariflöhne für alle durchsetzen könnte – weil Pflegekräfte Menschen sind, die sich gern um andere kümmern, aber oft sich selbst vergessen.“ Andere Berufsgruppen schaffen es in der Tat besser, ihre Interessen durchzusetzen.

Änderungen in Sicht!?

Immerhin wurden einige Verbesserungen beschlossen: der Mindestlohn wurde erhöht, es soll einen besseren Pflegeschlüssel und eine Sonderprämie geben. Außerdem bleibt die Hoffnung, dass die Anerkennung bleibt und die Arbeit der Pfleger*innen nicht nur durch Applaus, sondern auch mehr Anerkennung gewürdigt wird.

Freitag, 10. Juli 2020

Zurück zur Rollenverteilung zu Zeiten unserer Großeltern?

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin, schlägt Alarm: sie warnt vor einer „entsetzlichen Retraditionalisierung“ und einem Rückfall auf eine Rollenverteilung wie zu Zeiten unserer Großeltern.

Die Frauen verlieren ihre Würde

In einem Beitrag für die ZEIT verweist Allmendinger auf eine Studie zur Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern in der Corona-Krise. Es sind überwiegend Frauen, die sich aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Selbst wenn beide Partner zuhause sind, ist es oft die Frau, die sich neben dem Beruf um die Kinder und den Haushalt kümmert. Anders als viele romantisierend vermuteten, sind viele Frauen nicht froh, endlich die Last der Erwerbsarbeit abgeschüttelt zu haben.

Mutti macht das schon

Barbara Vorsamer kritisiert in der Süddeutschen Zeitung, dass die Politik Mütter und Väter alleine lässt. „Für Firmen packt man die Bazooka aus, für Eltern nicht mal die Wasserpistole“. Zwar wurde jetzt eine Sonderprämie von 300 Euro versprochen, aber auch hieran gibt es berechtigterweise Kritik. Für Nicola Fuchs-Schündeln wären die Öffnung von Schulen und Kita wichtiger.

Frauen arbeiten in systemrelevanten Berufen – und verdienen weniger

Frauen arbeiten überproportional in Berufen, die in der Krise als „systemrelevant“ angesehen wurde, z.B. in der Pflege oder an der Kasse. Neben der Belastung durch in der Familie kommt dies für viele Frauen noch hinzu.

Staatshilfen überprüfen

Die Prognosen von Jutta Allmendinger eines Rückfalls um 30 Jahre mögen übertrieben zu sein, eine Diskussion ist aber dringend erforderlich. Wichtig finde ich auch ihre Forderung, dass alle Staatshilfen hinsichtlich ihrer Bedeutung für Frauen überprüft werden sollten. Erfreulicherweise hat die Debatte über eine bessere Bezahlung von Care-Arbeit bereits begonnen, auf die ich in einem weiteren Beitrag ausführlicher eingehen möchte.

Donnerstag, 2. Juli 2020

Kein Leben ist weniger wert - gibt es einen Konflikt der Generationen?

In den nächsten Beiträgen geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Heute beginne ich mit der Frage, wie sich die Corona-Krise auf die Generationen und das Verhältnis zwischen den Generationen auswirkt. 

Generation Corona: Jung, motiviert – abgehängt?

Der SPIEGEL widmete der Jugend eine Titelgeschichte und zeigte die besondere Betroffenheit der Generation.
Junge Menschen unterschiedlichen Alters sind betroffen: in der Schule, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und im Berufsleben. Außerdem muss die junge Generation die nun aufgenomme-nen Schulden irgendwann zurückzahlen.  Für den Jugendforscher Klaus Hurrelmann ist klar: "Die Jungen werden das Wohlstandsniveau ihrer Eltern nicht erreichen, es geht für sie ums Halten" - wenn überhaupt.

Dreifache Konfrontation der Generationen?

Andreas Zickle beschreibt in der Süddeutschen Zeitung drei konfliktreiche Themenfelder:
  • Rente: Durch den Generationenvertrag müssen immer weniger Jüngeren müssen für immer mehr Rentner*innen finanzieren
  • Klimawandel: Die Jugend wird die Folgen unseres heutigen Verhaltens ausbaden müssen
  • Corona-Krise: der Ausnahmezustand trifft wirtschaftlich v.a. jüngere Menschen
Daraus schließen einige, dass sich Ältere isolieren sollen, um jüngere Menschen (und die Wirtschaft) zu schützen. Die Debatte gipfelte in den unsäglichen Äußerungen von Boris Palmer, dass einige Opfer eh bald gestorben wären. Dennoch ist die Frage wichtig: Opfern die Jungen ihren Wohl-stand, nur damit die Alten und Kranken ein kleines bisschen länger leben? 

Kein Leben ist weniger wert

Christina Berndt gibt in der Süddeutschen Zeitung mit dem treffenden Titel Kein Leben ist weniger wert eine klare und aus meiner Sicht überzeugende Antwort: Diese Debatte ist moralisch unerträglich - und wissenschaftlich haltlos. Auch wenn das Durchschnittsalter der Verstorbenen hoch ist, gehen Expert*innen von einem Verlust zwischen fünf und 13 Lebensjahren aus. Sie folgert: „Es geht für alle um Gesundheit, um Geld - und um ein möglichst langes Leben in einer Gesellschaft, die in der Krise zusammensteht.“

Individuelle Empfehlungen für Patienten

Natürlich ist eine Debatte notwendig, wie man Menschen aus der Risikogruppen am besten schützt. Wenig hilfreich finde ich aber den Vorschlag, die eine Generation komplett wegzusperren. Überzeugender ist der Vorschlag des Soziologen Hans Bertram, für Patienten individuelle Empfehlungen je nach Alter, Vorerkrankung und Konstitution auszusprechen.