Gerhard Matzig beschreibt in der Süddeutschen Zeitung die Jugend von heute: „Sie fliegen nach Thailand, machen den Führerschein, rauchen wieder, wählen FDP - und kleben sich fürs Klima fest: Die sogenannten jungen Leute ticken wohl nicht ganz sauber.“ Aber nicht die Jugend, sondern die Generationenforschung und ihre Zuschreibungen sind verrückt geworden.
Über die Jugend jammern
Bereits Sokrates und Platon jammerten über „Die Jugend von heute“. Die Union kümmert sich um die Jugend nur dann, wenn es aus Imagegründen darum geht, die Union gerontokratisch zu entstauben. Das Ergebnis: der aufgeweckte Philipp Amthor. Eigentlich sollte man aufhören zu lesen, wenn ein Text mit „die Jugend“ beginnt, da es oft mehr über den Betrachter als die Realität aussagt.
Noch nie wollten so viele den Führerschein machen.
Die Jugend kämpft eben nicht nur gegen die klimaschädliche Mobilität, sondern sie wollen den Führerschein – und fallen dann bei der Prüfung durch, weil sie komplexe Aufgaben kaum bewältigen kann. Viele jungen Menschen leben auf dem Dorf, wo Autos oft noch notwendig ist. Ebenso relativ wie der Standort ist das Alter. Beschreiben die Vereinten Nationen Jugendliche als „Menschen zwischen 15 und 24“, gelten in manchen Regionen alle über 18 als alt.
Etikettierende Generationenforschung
Boomer, X, Y, Z- und bald Alpha-Generation. Es gibt eine Art Ursünde, die darin besteht, Teil einer definierten Alterskohorte sein zu müssen. Schade. Denn in Ermangelung eindeutiger Generationenbegriffe könnte man sich ja auch mal die vermeintliche Eindeutigkeit mancher Generationenkonflikte sparen. Junge Menschen wollen beides: einen intakten Lebensraum, der die Anzahl an Einfamilienhäuser und die Öko-Bilanz einschränkt. Sind junge Menschen also einfach nur gaga? Sind sie nicht.
Wir wollen die Jugend gerne so, wie wir selbst gerne wären
Die Wahlergebnisse sind nicht so eindeutig, bei der letzten Wahl wählten viele jungen Menschen die FDP. "Wir" sehen die Jugend nicht, wie "sie" ist, nämlich differenziert, auch grau, sondern so, wie wir denken, dass sie sein sollte.
Junge Menschen sind an die Dauerverfügbarkeit aller Konsumgüter herangeführt worden, einige sind konsumorientiert. Der neue Jugendstil ist also offenbar mehrheitlich nicht fleischkritisch, achtsam, flugscheu, drogenfrei, autolos, eigenheimfern. Das ist nur ein Bild, das "wir", die Eltern, gerne von der Jugend hätten. Wir sehen in ihr, was wir selbst gern wären. Und auch nicht sind.