Ullrich Fichtner schreibt immer wieder tolle Essays im SPIEGEL. In einem aktuellen Beitrag geht es um Klimakrise, erneuerbare Energien und Artenvielfalt. Seine These „Die Rettung der Welt hat längst begonnen“.
Fichtner wendet sich gegen die verdrießliche, bisweilen hysterische Grundstimmung. Die Zukunft ist offen, mit Disruptionen ist jederzeit zu rechnen. Er will nichts verharmlosen und kritisiert „das bewusstlose Verfeuern und Verbrauchen fossiler Brenn- und Rohstoffe in unvorstellbarem Ausmaß". Der Mensch ist der große Störfaktor in einer eigentlich heilen Welt.
Blick auf das Gelingende
Es braucht bessere, ruhigere Debatten und einen Blickwechsel, ein grundsätzlich verändertes »Framing«. Die Blindheit für alles Gelingende führt zu einem Zerrbild der Welt, das mit der Wirklichkeit nicht viel gemein hat. Politische Projekte und deren Umsetzungen regelmäßig mit »zu wenig, zu spät« abzutun ist völlig apolitisch – und ein schleichendes Gift, an dem die Demokratie an und für sich krank wird. In Forschung und Wissenschaft, in Wirtschaft und Gesellschaft, in der Politik, in der Staatenwelt herrscht vielerorts Aufbruchstimmung
Das epochale Klimaabkommen von Paris
Der Autor bezeichnet das Klimaabkommen von Paris als das größte politische Experiment aller Zeiten. Sie startete einen Umbau, der bereits Erfolge zeigt.
Ein Land wie Kenia bezieht seine Energie schon heute zu 90 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Auch andere Länder versuchen eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Überall auf der Welt ist das Thema angekommen, Universitäten richten Lehrstühle ein, Konzerne und die Finanzindustrie steuern um.
Aufbruchstimmung in vielen Bereichen
Der Umbruch verbindet sich mit unerhörten neuen Möglichkeiten einer neuen industriellen Revolution. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ermöglichen die Lösungen, die mit bisherigen Mitteln unlösbar waren. Auch in Naturwissenschaft und Medizin gibt es Durchbrüche in vielen Bereichen: Energie-gewinnung und Städtebau, Verkehr und Infrastruktur, Industrieproduktion, Landwirtschaft, Arbeit, Alltag und auch die Kunst – alles ist in Bewegung.
Stürmische, harte und überraschende Tage
Ein heute geborenes Kind wird jedenfalls am Silvesterabend 2099 auf den Beginn des 21. Jahrhunderts so blicken, wie die Kinder des 20. ins 19. Jahrhundert zurückgeschaut haben: fasziniert davon, wie stürmisch und grundlegend sich die Welt geändert hat, wie schnell die Lebenswelten und -weisen der Vorfahren fremd geworden sind.
Die Zukunft ist offen: Es kommen härtere Tage, gewiss, aber es werden auch gänzlich überraschende anbrechen. Die Menschen als „Choreografen der Natur“ haben die Möglichkeit zur Gestaltung: „Wird alles ganz furchtbar? Oder auch wunderbar? Wir werden es erleben.“