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Donnerstag, 12. November 2020

Ist die Corona-Pandemie ein Epochenwechsel?

Im Blogeintrag über Andreas Reckwitz habe ich seine Position dargestellt, der in der Corona-Pandemie keinen Epochenwechsel sieht. Der Historiker Andreas Wirtsching hingegen sieht im Stern in der Corona-Krise sehr wohl einen Epochenwechsel und begründet dies auch überzeugend.

Nur Nationalstaaten und Behörden sind handlungsfähig

Die Bedeutung der Nationalstaaten, die manche im Zeitalter der Globalisierung schon als stark abnehmend betrachteten, hat wieder zugenommen. Während internationale Organisationen wie WHO und EU kaum handlungsfähig waren, waren es die Nationalstaaten, die gehandelt haben.

Schwere ökonomische Folgen

Durch die Pandemie ist der internationale Handel zum Erliegen gekommen und hat bei Produkten wie Masken und Medikamenten die Abhängigkeit deutlich gemacht. Ohne Frage wird dies Spuren hinterlassen. Auch für die Wirtschaft befürchtet Wirsching einen langwährenden Nachfrageeinbruch und „bittere politische Rechnungen“.

Katalysator bestehender Tendenzen

Ähnlich wie Reckwitz und andere Autoren betont auch er, dass viele Entwicklungen verstärkt werden könnten. "Das kann positive Entwicklungen betreffen wie den Klimaschutz, technologische Innovationen oder auch einen kritischeren Umgang mit dem Massentourismus." Sie könne aber auch soziale Ungleichheit und Nationalismus befördern.

Dienstag, 27. Oktober 2020

Die Welt neu denken - Zeit für eine radikale Umkehr?

Maja Göpel ist nicht die einzige, die in der Corona-Krise die Chance bzw. die Notwendigkeit zur grundlegenden Veränderung sieht. Mit ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ schaffte sie es in die Bestsellerlisten. Sie selbst wurden von den Schülerprotesten Fridays for Future“ inspiriert und gründete die „Scientists for Future“.

Unsere Welt neu denken

In ihrem Buch geht sie der Frage nach, wie Menschen auf der voller gewordenen Erde leben können, ohne ihre Lebensgrundlage zu vesehren? Sie stellt das auf ewiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaftssystem in Frage und sucht nach einem neuen Entwicklungsmodell. Das tut sie, so Alexander Jung und Michaela Schießl im SPIEGEL „durchaus alttestamentarisch, es ist die Forderung nach einer Umkehr".

Abkehr vom Wachstumszwang

Die Kritik an der Wirtschaft und dem Bruttoinlandsprodukt ist nichts Neues, sie liefert aber durchaus interessante Beispiele, wie z.B. Bienen, die kostenlos Pflanzen bestäuben und damit einen großen Nutzen generieren. Verkauft eine Firma jedoch Roboterbienen, die den Job nach dem Bienensterben übernehmen, wächst das Bruttosozialprodukt."
Scharf kritisiert sie einige Rettungsmaßnahmen wie Steuergelder für die Lufthansa, sie fordert stattdessen eine klare Gesetzgebung „Ohne Regulierung kein Markt“. Eine interessante Beschreibung ihres Buchs bietet der Deutschlandfunk.

Argumente gegen Klimaschutz begegnen

Sehr gut gefallen hat mir der Artikel in der ZEIT, den Maja Göpel gemeinsam mit Petra Pinzler geschrieben hat. In „Natürlich geht das“ begegnet sie mit Argumenten, die immer wieder gegen Klimaschutz angeführt werden:

  • Menschen wollen kaufen und zwar immer mehr
  • Ohne Wachstum ist alles nichts
  • Globalisierung ist gut
  • Irgendeine Technologie wird uns schon retten
  • Der Markt wird alles regeln 

Brauchen wir diesen Konsumwahnsinn?

Diese berechtigte Frage war Thema beim Gespräch von Maja Göpel im "After Corona Club" mit Anja Reschke. Göpel sieht in der Corona-Krise die Chance zum Umdenken: "Wir können das doch viel besser. Das wäre doch jetzt eine Aufbruchstimmung, die auch aus so einer Krisenhaftigkeit etwas ganz Positives mit sich bringt." Ein spannendes und lohnenswertes Gespräch!


Montag, 27. Juli 2020

Über Care-Arbeit – passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Bereits vor der Corona-Krise waren die Probleme im Bereich der Pflege offensichtlich: viele unbesetzte Stellen, (zu) viele Patient*innen pro Pfleger*in, schlechte Bezahlung.
Neben der Pflege zählen auch Kinderbetreuung und Haushalt zur „Care-Arbeit“ – Tätigkeiten, bei dem es um das Kümmern geht. Diese Tätigkeiten werden überwiegend von Frauen ausgeführt und werden entweder überhaupt nicht oder nur gering bezahlt ist. Zwei Erklärungsansätze stelle ich in diesem Blogeintrag vor.

Passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Lea Hampek und Naikissa Salavati liefern in der Zeitschrift „Plan W“ der Süddeutschen Zeitung Gründe, warum Frauenberufe schlecht bezahlt sind.
Frauen suchen sinnstiftende Arbeit, diese aber haben in einem System, das Waren und Geld produzieren soll, keinen dominanten Platz. Dies ist auch historisch bedingt, denn „Care-Arbeit“ wurde entweder in der Familie oder im Ehrenamt ausgeführt. „Frauenberufe passen nicht in den Kapitalismus“, so das Fazit der Autorinnen. Die Privatisierung und Einführung von Marktelementen hat an dieser Situation nichts geändert – im Gegenteil ist der finanzielle Druck sogar noch gestiegen.

Kümmern sich Pfleger*innen nicht genug um sich selbst?

Auf einen weiteren Punkt verweist Detlef Esslinger in der Süddeutschen Zeitung auf einen weiteren wichtigen Punkt. „Es gibt in der Pflege keine bedeutende Gewerkschaften, die Tariflöhne für alle durchsetzen könnte – weil Pflegekräfte Menschen sind, die sich gern um andere kümmern, aber oft sich selbst vergessen.“ Andere Berufsgruppen schaffen es in der Tat besser, ihre Interessen durchzusetzen.

Änderungen in Sicht!?

Immerhin wurden einige Verbesserungen beschlossen: der Mindestlohn wurde erhöht, es soll einen besseren Pflegeschlüssel und eine Sonderprämie geben. Außerdem bleibt die Hoffnung, dass die Anerkennung bleibt und die Arbeit der Pfleger*innen nicht nur durch Applaus, sondern auch mehr Anerkennung gewürdigt wird.

Freitag, 10. Juli 2020

Zurück zur Rollenverteilung zu Zeiten unserer Großeltern?

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin, schlägt Alarm: sie warnt vor einer „entsetzlichen Retraditionalisierung“ und einem Rückfall auf eine Rollenverteilung wie zu Zeiten unserer Großeltern.

Die Frauen verlieren ihre Würde

In einem Beitrag für die ZEIT verweist Allmendinger auf eine Studie zur Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern in der Corona-Krise. Es sind überwiegend Frauen, die sich aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Selbst wenn beide Partner zuhause sind, ist es oft die Frau, die sich neben dem Beruf um die Kinder und den Haushalt kümmert. Anders als viele romantisierend vermuteten, sind viele Frauen nicht froh, endlich die Last der Erwerbsarbeit abgeschüttelt zu haben.

Mutti macht das schon

Barbara Vorsamer kritisiert in der Süddeutschen Zeitung, dass die Politik Mütter und Väter alleine lässt. „Für Firmen packt man die Bazooka aus, für Eltern nicht mal die Wasserpistole“. Zwar wurde jetzt eine Sonderprämie von 300 Euro versprochen, aber auch hieran gibt es berechtigterweise Kritik. Für Nicola Fuchs-Schündeln wären die Öffnung von Schulen und Kita wichtiger.

Frauen arbeiten in systemrelevanten Berufen – und verdienen weniger

Frauen arbeiten überproportional in Berufen, die in der Krise als „systemrelevant“ angesehen wurde, z.B. in der Pflege oder an der Kasse. Neben der Belastung durch in der Familie kommt dies für viele Frauen noch hinzu.

Staatshilfen überprüfen

Die Prognosen von Jutta Allmendinger eines Rückfalls um 30 Jahre mögen übertrieben zu sein, eine Diskussion ist aber dringend erforderlich. Wichtig finde ich auch ihre Forderung, dass alle Staatshilfen hinsichtlich ihrer Bedeutung für Frauen überprüft werden sollten. Erfreulicherweise hat die Debatte über eine bessere Bezahlung von Care-Arbeit bereits begonnen, auf die ich in einem weiteren Beitrag ausführlicher eingehen möchte.

Donnerstag, 2. Juli 2020

Kein Leben ist weniger wert - gibt es einen Konflikt der Generationen?

In den nächsten Beiträgen geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Heute beginne ich mit der Frage, wie sich die Corona-Krise auf die Generationen und das Verhältnis zwischen den Generationen auswirkt. 

Generation Corona: Jung, motiviert – abgehängt?

Der SPIEGEL widmete der Jugend eine Titelgeschichte und zeigte die besondere Betroffenheit der Generation.
Junge Menschen unterschiedlichen Alters sind betroffen: in der Schule, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und im Berufsleben. Außerdem muss die junge Generation die nun aufgenomme-nen Schulden irgendwann zurückzahlen.  Für den Jugendforscher Klaus Hurrelmann ist klar: "Die Jungen werden das Wohlstandsniveau ihrer Eltern nicht erreichen, es geht für sie ums Halten" - wenn überhaupt.

Dreifache Konfrontation der Generationen?

Andreas Zickle beschreibt in der Süddeutschen Zeitung drei konfliktreiche Themenfelder:
  • Rente: Durch den Generationenvertrag müssen immer weniger Jüngeren müssen für immer mehr Rentner*innen finanzieren
  • Klimawandel: Die Jugend wird die Folgen unseres heutigen Verhaltens ausbaden müssen
  • Corona-Krise: der Ausnahmezustand trifft wirtschaftlich v.a. jüngere Menschen
Daraus schließen einige, dass sich Ältere isolieren sollen, um jüngere Menschen (und die Wirtschaft) zu schützen. Die Debatte gipfelte in den unsäglichen Äußerungen von Boris Palmer, dass einige Opfer eh bald gestorben wären. Dennoch ist die Frage wichtig: Opfern die Jungen ihren Wohl-stand, nur damit die Alten und Kranken ein kleines bisschen länger leben? 

Kein Leben ist weniger wert

Christina Berndt gibt in der Süddeutschen Zeitung mit dem treffenden Titel Kein Leben ist weniger wert eine klare und aus meiner Sicht überzeugende Antwort: Diese Debatte ist moralisch unerträglich - und wissenschaftlich haltlos. Auch wenn das Durchschnittsalter der Verstorbenen hoch ist, gehen Expert*innen von einem Verlust zwischen fünf und 13 Lebensjahren aus. Sie folgert: „Es geht für alle um Gesundheit, um Geld - und um ein möglichst langes Leben in einer Gesellschaft, die in der Krise zusammensteht.“

Individuelle Empfehlungen für Patienten

Natürlich ist eine Debatte notwendig, wie man Menschen aus der Risikogruppen am besten schützt. Wenig hilfreich finde ich aber den Vorschlag, die eine Generation komplett wegzusperren. Überzeugender ist der Vorschlag des Soziologen Hans Bertram, für Patienten individuelle Empfehlungen je nach Alter, Vorerkrankung und Konstitution auszusprechen.

Sonntag, 28. Juni 2020

Wie sollte man mit Verschwörungstheorien umgehen?

Wie kann man am besten mit Verschwörungstheorien am besten umgeht:

Methoden Kretschmer oder Kretschmann

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte mit Gegnern der Schutzmaßnahmen in Dresden diskutiert – ohne Mundschutz und Abstandsregeln. Dies hatte der baden-württembergische Ministerpräsident kritisiert.  Er betont das Recht auf Proteste, möchte aber nicht mit Menschen diskutieren, die "alles was wir machen für mehr oder weniger falsch halten" – er setzt auf Aufklärung.

Helfen Aufklärung und Bildung?

Die Politikwissenschaftlerin Nocun glaubt nicht, dass mehr Bildung das Problem lösen wird. Sie verweist darauf, dass auch Menschen mit einem Universitätsabschluss und finanziell abgesichert sind, an solche Erzählungen glauben. Dennoch sind fundierte Informationen sicher ein Weg, um einen fundierten Diskurs führen zu können.

Auf Widersprüche aufmerksam machen

In manchen Fällen kann es hilfreich sein, dagegenzuhalten. Eine Staatengemeinschaft, die leider in den internationalen Beziehungen kaum mehr was zustande bringt, vereinigt sich unter Anleitung von Bill Gates, um mit einem Virus die Weltbevölkerung auf 500 Millionen Menschen zu bringen? Und ein veganer Koch ist gemeinsam mit einem Sänger einer der wenigen, der dies durchschaut?
Erstmal durchatmen ist dann auch einer der Tipps im Umgang mit solchen Geschichten. Die Süddeutschen Zeitung nennt weitere Punkte wie Quellen prüfen, skeptisch sein und nicht nach Sündenböcken suchen.   

Klare Abgrenzung

Bei manchen „Meinungsäußerungen“ hilft aus meiner Sicht nur noch klare Abgrenzung oder eine Anzeige. Mit Leuten, die zum Mord auffordert, unsere Politiker*innen mit Hitler und Stalin gleichsetzen oder sich mit Judenstern in eine Reihe mit den Opfern des Holocaust stellen, kann und sollte man nicht diskutieren. Natürlich kann niemand was für die Gesinnung seiner Mitdemonstrant*innen, wer aber in einem Meer von Reichskriegsflagge mitmarschiert, sollte sich überlegen, ob er auf der richtigen Demo ist.

Einfach ignorieren

Vielleicht ist es in manchen Fällen besser, die Leute einfach zu ignorieren. Nicht jeder, der tweetet oder ein Video auf Youtube einstellt, hat was Fundamentales zu sagen. Durch die permanente Medienpräsenz werden manche von ihnen wichtiger gemacht als sie sind.

Bleibt zum Schluss noch Humor

Christian Ehring hat es bei Extra 3 auf den Punkt gebracht: „Eine Diktatur, gegen die man mit Genehmigung demonstrieren darf, ist keine Diktatur oder eine sehr erbärmliche Diktatur“. Er hinterfragt auch einige der „Argumente“ der Gegner und B-Promis.

Donnerstag, 18. Juni 2020

Verschwörungstheorien in der Corona-Krise

Im letzten Blogeintrag habe ich Seiten vorgestellt, die die Phänomene Verschwörungstheorien und Hate Speech vorstellen. In diesem Beitrag geht es um die aktuelle Entwicklung bei der Corona-Pandemie. Ein weiterer Eintrag wird sich mit den Lösungsansätzen beschäftigen.

Corona-Krise als idealer Nährboden für Verschwörungstheorien

Das Dossier über Verschwörungstheorie beschäftigt sich auch mit dem Corona-Virus und den vermeintlich Schuldigen: die USA, wahlweise auch China und allen voran die Bill Gates Stiftung, die angeblich die totale Kontrolle erlangen will. Die plausible Erklärung: Die Pandemie ist ein idealer Nährboden, da die Situation sehr komplex und sehr unübersichtlich ist und die sich jeden Tag ändert.

Auch andere Autor*innen verweisen auf den gefühlten Kontroll- und Machtverlust. Katharina Nocun sagt: Insbesondere in Situationen, in denen wir einen Kontrollverlust erleben, neigen die Menschen eher dazu, an Verschwörungserzählungen zu glauben… Selbst wenn er angsteinflößend ist, hat er eine klare Struktur, man hat einen klaren Schuldigen, und das ist manchmal einfacher zu ertragen als das pure Chaos“.

Rasante und umfassende Verbreitung

Andrian Kreye verweist in der Süddeutschen Zeitung auf den Unterschied zu seriösen Meldungen: Meldungen und Tatsachen verbreiten sich sechs Mal so schnell, und die besten Fake News erreichen rund tausend Mal mehr Menschen. Teil dieses Erfolgs sind auch zahlreiche Prominente, die die Meldungen an ihre Anhängerschaft verbreitet haben.

Deutschlands neue Wutbürger

Der Spiegel berichtet über Deutschlands neue Wutbürger. Es ist eine seltsame Mischung aus Menschen, die sich – nachvollziehbarerweise – Sorgen um ihre Arbeit machen, Impfgegnern, linken Gruppen, rechten Gruppen und eben Promis.
Die seltsame Melange auf den Marktplätzen wird von Verschwörungsideologen und prorussischen Medien befeuert, die Fake News verbreiten und so versuchen, die Demokratie zu destabilisieren.
Im Unterschied zu früheren Kampagnen versuchen soziale Medien wie Facebook gegenzusteuern, durch Personalnot kommen sie aber kaum hinterher.


Übernehmen Rechtsextreme die Bewegung?

Einige sehen Parallelen zur Pegida-Bewegung. Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sieht die Gefahr, dass Rechtsextremisten sich an die Spitze der Corona-Demonstrationen stellen, die aktuell noch von mehrheitlich verfassungstreuen Bürgern gebildet werden.

Dienstag, 2. Juni 2020

Verschwörungstheorien und Hassnachrichten – ein Überblick

Verschwörungstheorien und Hass im Internet und realen Leben nehmen im Laufe der Corona-Krise zu. In einem Blogeintrag habe ich bereits darüber berichtet – und es ist noch schlimmer geworden.
In diesem Eintrag stelle ich gute Zusammenfassung zur Thematik vor, in weiteren Einträgen folgen Informationen zur aktuellen Corona-Krise

Verschwörungstheorien

Die Landeszentrale für politische Bildung geht in ihrem Überblick folgenden Fragen nach:
Wie funktionieren Verschwörungstheorien? Welche Rolle spielt das Internet in der Verbreitung von Verschwörungstheorien? Worin bestehen konkret die Gefahren in Verschwörungstheorien? Und wie können Verschwörungstheorien entkräftet werden?
Am Anfang steht immer das Misstrauen, bestimmte soziale Phänomene oder historische Ereignisse werden auf Verschwörungen zurückgeführt.

Dieses Misstrauen geht einher mit einem Vertrauensverlust in den Staat und die etablierten Werte. Da viele Prozesse immer komplexer werden, grassieren Verschwörungstheorien besonders in Krisenzeiten als einfache Erklärung. Sie können als „Ersatz-Religion“ und zur Identifikation dienen.
Soziale Unsicherheit kann für viele Menschen, unabhängig der ethnischen Zugehörigkeit, ein Grund für Verschwörungsglauben darstellen.

Neben einigen gängigen Verschwörungstheorien geht das Dossier auch auf die Opfer dieser Theorien ein und die traurige lange Geschichte der Judenfeindlichkeit: Kaum eine andere Gruppe wurde in der Menschheitsgeschichte so oft für Verbrechen, Seuchen und Unheil aller Art verantwortlich gemacht, wie Menschen jüdischen Glaubens. 

Hate Speech

Zum Thema Hate Speech gibt es zahlreiche Infosammlungen, in denen Erklärungen und Strategien vorgestellt werden.
Die Bundeszentrale bietet zwei Zusammenstellung: zu Fake News im Bereich Gesellschaft
und im Bereich Medienpädagogik.
Ebenso beschäftigen sich viele Initiativen damit, z.B. das No-Hate-Speech-Movement

Hate Speech (zu deutsch: Hassrede) ist ein politischer Begriff. Dementsprechend ist die Definition dessen politisch umkämpft. In Deutschland ist sie zudem keine juristische Kategorie, auch, wenn einige Straftatbestände, besonders der der Volksverhetzung, ihr nahekommen. Vorgestellt werden auch Arten von Hate Speech, wie z.B. Beleidigungen, das Bedienen von Stereotypen, Verallgemeinerungen bis hin zum Aufruf zu Gewalttaten.

Vorgestellt werden auch die Strategien sowie ihre Vor- und Nachteile. Sie reichen von ignorieren, melden, anzeigen, Gegenrede und dem humorvollen Umgang.
Der wohl wichtigste Punkt: Selbstschutz: Sich mit Hetze und diskriminierenden Äußerungen in den Sozialen Medien zu beschäftigen, kann sehr schnell belastend werden – insbesondere, wenn es zu Beleidigungen und Angriffen gegen die eigene Person kommt. Auf sich selbst zu achten und sich zu schützen sollte daher nicht vernachlässigt werden.

Freitag, 15. Mai 2020

Eine Prüfung für die Menschlichkeit

Nachdem ich bereits die Rede der Bundeskanzlerin gelobt habe, möchte ich dies nun auch beim Bundespräsidenten tun. Ähnlich wie Merkel verzichtet Steinmeier auf unpassenden Vergleiche mit einem Krieg, sondern benennt das Problem sehr klar. "Die Pandemie ist kein Krieg - sie ist eine Prüfung unserer Menschlichkeit."

Zu europäischer Solidarität verpflichtet

Gut gefallen hat mir auch der Abschnitt zu Europa. Es ist schlicht und ergreifend notwendig: Deutschland kann nur stark und gesund aus der Situation hervorgehen, wenn es auch den Nachbarn gut geht. Auch weltweit wünscht sich Steinmeier eine bessere Zusammenarbeit bei der Forschung nach Impfstoff und „eine globale Allianz, zu der auch die ärmsten Länder Zugang haben“.

Es kann eine bessere Gesellschaft werden – wenn wir es wollen

Wie viele andere Beobachter/innen vor ihm, betont der Bundespräsident, dass die Krise das Schlechteste und das Beste aus den Menschen hervorlocke. Er warnt davor, dass sich aus der Krise eine Ellenbogengesellschaft entwickeln könnte und lobt „die explodierende Kreativität und Hilfsbereitschaft“ der letzten Tage. Ob das so bleibt, liegt laut Steinmeier an uns. „Über diese Frage hat das Virus keine Macht, darüber entscheiden alleine wir“.

Die Rede des Bundespräsidenten

Den Wortlaut der Rede finden Sie auf der Homepage des Bundespräsidenten und hier im Video: 


Sonntag, 5. April 2020

Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten

Keine Blankovollmacht fürs Durchregieren

Georg Restle, der Redakteur von Monitor, hat es aus meiner Sicht auf den Punkt gebracht:
 „Die Corona-Krise ist keine Blankovollmacht fürs Durchregieren und Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung – auch nicht in Krisenzeiten.“ Seinen ganzen Kommentar sehen Sie auf der Seite von Monitor.

Viele Grundrechte außer Kraft

Die Seite Freiheitsrechte.org beschreibt, welche Grundrechte durch das Infektionsschutzgesetz eingeschränkt sind:

  • Freiheit der Person (Art. 2) bei Quarantäne
  • Körperliche Unversehrtheit (Art. 2) bei ärztlichen Untersuchungen en
  • Die Versammlungsfreiheit (Art. 8), da Demonstrationen verboten sind
  • Brief und Postgeheimnis (Art. 10), da Mitteilungen Infizierter gelesen werden dürfen
  • Freizügigkeit (Art. 11), da wir uns nicht mehr frei bewegen können
  • Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13), bei Besuchen des Amtsarztes
Nicht im Artikel enthalten ist die Religionsfreiheit (Art. 4), die durch die Schließung der Kirchen zumindest teilweise außer Kraft ist.

Verhältnismäßigkeit muss gewährt sein

Der Staat darf auch in der aktuellen Ausnahmesituation nur in unsere Grundrechte eingreifen, wenn dies verhältnismäßig ist.
Rene Schlott beschreibt in seinem lesenswerten Beitrag Rendezvous mit dem Polizeistaat einige Beispiele, die an dieser Verhältnismäßigkeit zweifeln lassen.

  • Warum ist das Lesen eines Buches auf der Parkbank verboten (auf dem Fahrrad wäre es erlaubt) 
  • Warum müssen in Bayern Bürger/innen, die sich zu zweit im öffentlichen Raum bewegen, Auskunft über das Verhältnis zu ihrer Begleitung geben? 

Der Ruf nach immer härteren Maßnahmen

Einigen Bürger*innen ist das noch nicht genug, sie fordern härtere Maßnahmen und spielen auch fleißig Hilfspolizist*innen. Jens Spahn, der sich selbst umfassende Macht gegeben hat bzw. geben wollte (siehe Vollmacht für den starken Mann) zeigt sich im Interview in der ZEIT überrascht über die Geister, die er rief: "Mich irritiert der dezidierte Ruf mancher nach immer härteren Maßnahmen."

Fazit

Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich halte mich an alle Regeln und unterstütze diese auch. Wenn ich mich aber im öffentlichen Raum mit einer Person unterhalte und dabei die Regeln einhalte geht es den Staat nichts an, in welchem Verhältnis ich zu dieser Person stehe:
Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten.

Donnerstag, 2. April 2020

Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.

Es ist ernst - Angela Merkels Fernsehansprache Ich habe mich oft über sie geärgert, aber mein Respekt ist im Laufe des Jahres immer mehr gestiegen und ich bin froh, dass sie gerade unsere Kanzlerin ist: Angela Merkel hat mit ihrer Fernsehansprache ein klares Signal gesetzt.
Ich teile die Ansicht vieler Kommentator*innen, die die Rede gelobt haben – klare Aussagen, ohne viel Pathos, Anerkennung für Pfleger*innen und Kassierer*innen. Natürlich gab es auch Kritik, Stefan Braun kritisierte in der Süddeutschen zu viel Pathos, viele hätten sich härtere Maßnahmen erhofft. Aber der Appell war eindeutig: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“.

Wohltuender Unterschied zu anderen Staats- und Regierungschefs

Sie grenzt sich damit auch angenehm von anderen Staats- und Regierungschefs ab. Ich meine nicht nur Donald Trump, dessen unsägliches Verhalten in der Krise noch unangebrachter ist als sonst. Auch ernstzunehmende Staatschefs machen es meiner Sicht nicht besser:
Emmanuel Macron hat in seiner Rede sechsmal den Satz „Wir sind im Krieg“ gebraucht, um anschließend die Teilnahme an der Kommunalwahl zu loben. „Die harte Hand zittert“ analysierte die ZEIT zurecht.

Noch nie da gewesene Einschränkungen

Hier sehen Sie das Video. Im Wortlaut können Sie im Text von NWZ online nachlesen:




Viele Zitate wurden diskutiert und hervorgehoben. Spannend fand ich die Passage, in der es um die Demokratie und ihre eigene Vergangenheit als DDR-Bürgerin geht.

Ich weiß, wie hart die Schließungen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, in unser Leben und auch unser demokratisches Selbstverständnis eingreifen. Es sind Einschränkungen, wie es sie in der Bundesrepublik noch nie gab.

Lassen Sie mich versichern: Für jemandem wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen. Sie sollten in einer Demokratie nie leichtfertig und nur temporär beschlossen werden - aber sie sind im Moment unverzichtbar, um Leben zu retten.

Das ist ein zentraler Punkt: Einschränkungen sind im Moment gerechtfertigt, müssen aber permanent begründet und überprüft werden.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung

Die Kanzlerin sagt weiter:

Wir sind eine Demokratie. Wir leben nicht von Zwang, sondern von geteiltem Wissen und Mitwirkung. Dies ist eine historische Aufgabe und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung! Die Politik lässt sich von Wissenschaftler*innen beraten, das Wissen ist transparent und jede einzelne Maßnahme muss gut begründet und entschieden wird. Dass dies auch schnell gehen kann, hat die Politik in den letzten Tagen bewiesen.
Wir sind aber alle gefordert, dass wir diese Krise möglichst schnell überwinden.

Beschränkung von Freiheit nur in Ausnahmefällen

Demokratie und die Einhaltung von Freiheiten (oder die wohlbegründeten) Ausnahmen sind Themen, die mich sehr umtreiben. In einem weiteren Blog werde ich diskutieren, ob die Demokratie den aktuellen Herausforderungen gerecht werden kann (Spoiler: ich bin davon überzeugt).

Mittwoch, 15. Januar 2020

Der Zusammenhalt der Gesellschaft als Kernfrage der Soziologie

Die Frage nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft ist die Kernfrage der Soziologie.
Dieses Video bietet einen unterhaltsamen Überblick über die „Kleine Frühgeschichte“ der Soziologie. Keine Angst, unser Seminar wird kein theoretisches Soziologie-Seminar, aber für Interessierte ist dieses knapp neunminütige Video vielleicht interessant.

Der Sonntagssoziologe bietet neben dieser Einführung noch einige andere interessante Erklärvideos

Die großen Denker im Überblick

Bereits Aristoteles machte sich Gedanken über das Zusammenleben, für ihn waren Staat und Gesellschaft dasselbe.

Thomas Hobbes hält Menschen für Vernunftswesen. Nach seiner Ansicht fallen die Menschen ohne Staat übereinander her – und gründen deshalb einen Staat und halten sich an die Regeln.

Der Ökonom Adam Smith sah in Menschen Egoisten, die von ihren Interessen geleitet werden. Wenn sie Geld und Anerkennung bekommen, kooperieren sie auch, d.h. die Gesellschaft wird durch Egoismus zusammengehalten.

Auguste Comte hat im 19. Jahrhundert den Begriff Soziologie erfunden. Für ihn wird die Gesellschaft durch Institutionen (Kirche, Schulen..) zusammengehalten – ein bis heute wichtiger Gedanke.

Emile Durkheim geht davon aus, dass nicht die Menschen die Gesellschaft machen, sondern die Gesellschaft den Menschen. Alles in der Gesellschaft hat eine Funktion, Gefängnisse sollen z.B. die Moral sichtbar machen.

Zum Schluss DER deutsche Soziologe – Max Weber. Er geht davon aus, dass Menschen handeln, weil sie in ihrer Handlung einen Sinn sehen. Menschen handeln zusammen, wenn die Dinge für alle dieselbe Bedeutung haben. Die Soziologie muss diesen Sinn erforschen.


Video: Kleine Frühgeschichte der Soziologie

 

Sonntag, 5. Januar 2020

Was ist Gesellschaft?

Was ist Gesellschaft überhaupt? Es gibt nicht die eine richtige Definition, in diesem Beitrag biete ich einige Ansätze.

Die Gesellschaft ist mehr als die Summe ihrer Teile 

"So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht" sagte Margaret Thatcher, britische Premierministerin. Das klingt im ersten Moment überraschend, aber man muss auch den Rest des Zitates sehen: 

"Man schiebt die Probleme der Gesellschaft zu. Es gibt nur einzelne Männer und Frauen und ihre Familien. Es ist unsere Pflicht, für uns selbst zu sorgen und dann für unsere Nachbarn" 

Man muss ihr immer noch nicht zustimmen, aber so ist die Position als Aufforderung zu Eigenverantwortung plausibel. Anders beim ersten Satz, denn schon Aristoteles wusste "Die Gesellschaft ist mehr als die Summe ihrer Teile."

Was ist Gesellschaft?

Eine schöne Erklärung habe ich auf Youtube gefunden. Er liefert auch eine Definition, auf der diese Seminarreihe definiert: 

Gesellschaft besteht aus Wechselwirkungen zwischen Handelnden und den sozialen oder kulturellen Strukturen, die sich daraus ergeben.
Diese Strukturen werden durch das Wechselwirken von Handeln neu erzeugt, bestätigt oder verändert und wirken auf die Handelnden zurück. 

Diese Definition beinhaltet bereits den (permanenten) Wandel, der im Laufe des Seminars noch näher beleuchtet wird.

Weitere Informationen

Bundeszentrale für politische Bildung: Gesellschaft