Jan Stremmel schreibt in einem Essay für die Süddeutsche Zeitung über die Empörung über die Nationalmannschaft, die in Katar keine Haltung zeigen und Klimaaktivisten, die wirklich Haltung zeigen. Sein Urteil „Wir Heuchler - Warum Zivilcourage nur dann vorliegt, wenn Menschen Risiken in Kauf nehmen.
Sie sind halt nicht mal eine gelbe Karte wert
Stremmel kritisiert das Verhalten der Nationalmannschaft, die zunächst als Zeichen des Protests gegen die Zustände in Katar eine Binde tragen wollte, die einen Regenbogen andeuten soll. Aus Angst vor einer Verwarnung blies die Mannschaft die Aktion ab und hielt sich lieber den Mund zu.
Gefängnis für Klimaaktivisten
Genauso groß ist die öffentliche Empörung über Klimaaktivisten, die sich auf den Asphalt geklebt haben und in Bayern präventiv ins Gefängnis gesteckt wurde. Sie haben ihre Werte auch gegen Widerstände vertreten und zwar Werte, die uns alle angehen. Obwohl der tatsächliche Schaden – Verspätungen und beschmierte Schutzscheiben vor Gemälden – gering ist, reagiert die Mehrheit der Bevölkerung mit Herablassung.
Sind wir nicht ähnlich verzagt wie die unglücklichen Fußballer in Katar?
Der Autor kritisiert, dass über Kartoffelbrei statt über den Klimawandel diskutieren und fragt: “Sind wir damit nicht ganz ähnlich verzagte und kleinliche Sorgendeutsche wie die unglücklichen Fußballer in der Wüste?“ In dieser Verzagtheit ragen Menschen heraus, die Risiken in Kauf nehmen.
Ziviler Ungehorsam half bei der Aufhebung von Missständen
Stremmel zählte eine Reihe von Missständen auf, die durch zivilen Ungehorsam beendet wurden: Die Rassentrennung in den USA, das Frauenwahlrecht in Großbritannien, die britische Kolonialherrschaft in Indien, die Apartheid in Südafrika. Das Prinzip lautet: friedlicher Protest, wo alle legalen Mittel ausgeschöpft sind, und in Akzeptanz der Strafe, die das Rechtssystem dafür vorsieht. Auch diese Gruppen zeigten zivilen Ungehorsam. Beim Kampf um das Frauenwahlrecht wurden 1913 allein in London 347 Sabotageakte verübt.
Der Protest zeigt Wirkung
Die Aktionen zeigen wirken. Hatte die FDP den Aktivistinnen von Friday for Future noch empfohlen, den Klimaschutz Profis zu überlassen, kritisiert sie nun, dass „Die letzte Generation“ die Errungenschaften gefährden: Der radikale Arm der Bewegung, der immer mehr nervt, macht das große Anliegen gerade Schritt für Schritt mehrheitsfähig. Besser kann es nicht laufen. Für einen Wandel sind nur wenige Menschen notwendig, Protestforscher gehen von 3,5 % der Bevölkerung aus.