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Montag, 11. September 2023

Was tun gegen die Bildungsmisere in Deutschland?

Der renommierte Bildungsforscher El Mafaalani schreibt in der Süddeutschen Zeitung über Lehrermangel und die Bildungsmisere
Um Wirtschaft und Sozialstaat aufrechtzuerhalten, müsste das Schulsystem das Potenzial von allen voll ausschöpfen. Die Hauptprobleme sind aus seiner Sicht:

  • Das deutsche Schulsystem kann mit Heterogenität traditionell nicht gut umgehen.
  • Jedes Jahr scheitern 5-10 % im und am System
  • Wir geben zu wenig Geld aus und setzen das Geld nicht richtig ein.


Baustelle 1: Kindheit und Familie im Wandel

Ein großer Teil der Kinder wächst behütet auf, mehr als jedes vierte Kind wächst hingegen in prekären Verhältnissen. Diese brauchen wesentlich mehr Unterstützung. Durch Migration hat sich durch Migration stark verändert, bundesweit haben mehr als 40 Prozent der Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund. Auch das Familienleben hat sich verändert: Patchworkfamilien, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit Kindern und alleinerziehenden Elternteilen, aber auch zunehmend erwerbstätige Eltern.
Die Schulen sind auf diese Heterogenität kaum vorbereitet, ebenso wie auf die digitale Welt, in der die jungen Menschen leben. Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, bedeutet heute etwas ganz anderes als im 20. Jahrhundert.

Baustelle 2: Demografischer Wandel

Wir können auf keines der wenigen Kinder verzichten. Es geht deshalb um die Befähigung für eine hochkomplexe Zukunft. In Schulen herrscht häufig Mangelverwaltung, Kinder und Jugendlichen wurden bereits während der Pandemie am stärksten belastet. Es müssen kinder- und jugendgerechte Räume geschaffen werden, in denen für alle alles erlebbar ist, was unsere Gesellschaft Positives zu bieten hat - Sport, Musik, Kunst und Kultur, Botanik, Technik und so weiter.
Kein Kind darf zurückgelassen werden, schon weil sie in den kommenden 15 Jahren zwei sogenannte Babyboomer ersetzen - und dann dauerhaft Wirtschaft und Sozialstaat aufrechterhalten.

Baustelle 3: Finanzierung

Bildungsinstitutionen müssen immer mehr leisten, die Ausgaben steigen nur moderat. Das wenige Geld wird nicht richtig eingesetzt. Ausgerechnet Grundschulen sind unterfinanziert, ein Ort, an dem alle Kinder gemeinsam lernen, Grundlagen wie Lesen, Schreiben und Rechnen gelegt und Benachteiligung bekämpft werden können. Geld wird vor allem für die Besoldung der Lehrkräfte ausgegeben, kaum auf multiprofessionelle Teams. Außerdem sind Schulen überreguliert. Deshalb fragt der Autor:

Wozu Schule?

Eine moderne Gesellschaft leistet sich ein Schulsystem mit Schulpflicht für alle, weil es die funktionalste Möglichkeit ist, die Gesellschaft stabil zu halten. Die letzten großen Reformen bezogen sich auf einen Anspruch auf einen Kita-Platz und einen Ganztagsplatz in der Grundschule. Das Ziel war, dass beide Eltern eine Erwerbsarbeit nachgehen können. Aber die Frauenerwerbsquote steigt nicht wie erhofft, weil Plätze fehlen oder Verlässlichkeit und Qualität für viele Mütter und Väter nicht akzeptabel erscheinen. Ein insgesamt vernachlässigtes System leidet zusätzlich unter Fachkräftemangel und soll sich riesigen Herausforderungen stellen.

Starkes Signal nötig

Wie in anderen Bereichen hält er ein Sondervermögen für notwendig. Allerdings können marode System nicht mal verlässlich Geld ausgeben.  Wenn die Hütte brennt, sind alle zu stark mit kurzfristigem Feuerlöschen beschäftigt und haben kaum Kapazitäten für schnelle konzeptionelle Zukunftsplanungen.
Nötig sind Fortbildungssysteme für Lehrkräfte, verbesserte Arbeitsbedingungen, freie Geldmittel für Schulen, und eine Reduktion der Belastung der Lehrkräfte durch Verwaltungsassistenten.
Bildung müsste Chefsache sein, denn „Was ist wichtiger als das zukünftige Humankapital und die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt?