Philipp Kollenbroich beschäftigt sich im SPIEGEL mit der Jugendkriminalität und kritisiert „die Mär von der kriminellen Jugend“.
Kriminalität bei Jugendlichen ist gestiegen
Die Zahlen von Straftaten, die durch Jugendliche begangen werden, sind gestiegen: Ladendiebstahl auf über 46.000 von 27.000 im Jahr 2021. Hierzu kamen Einzelfälle, die viel Aufmerksamkeit erregten: Silvester in Berlin-Neukölln und die strafunmündigen Mädchen, die eine zwölfjährige erstochen haben. Zwar hatten Experten nach Corona nach einem Anstieg gerechnet, die Zahlen gingen aber deutlich über das Vor-Corona-Niveau hinaus.
Das Zahlenwerk hat Tücken
Ein Teil der Zunahmen geht schlicht auf Gesetzesverschärfungen zurück. So fallen etwa Jugendliche, die ein Nacktfoto von sich selbst verschicken, bereits unter den geänderten Kinderpornografie-Paragrafen. Auch der Straftatbestand der Bedrohung wurde erweitert. Deshalb messen Kriminologen aus Hannover anders: Sie befragen Schüler nach ihren Erfahrungen als Täter oder Opfer. Bei der Polizeistatistik können Veränderungen durch verändertes Anzeigeverhalten oder stärkeren Kontrollen Veränderungen hervorbringen.
Jugend sind weniger gewalttägig
Nimmt man die Zahl der Forscher ist die Jugend in Deutschland danach über die vergangenen 15 Jahre signifikant weniger gewalttätig geworden. Der Gesamtindex Gewalt fiel von 7,5 auf 6,4 Prozent. Lediglich der Ladendiebstahl ist angestiegen, bei anderen Delikten ist die Zahl konstant oder rückläufig.
Was die Polizei sieht
Der Artikel berichtet über die Polizeiarbeit in manchen Stadteilen. Beamte werden beleidigt, die Menschen solidarisieren sich gegen die Polizei. Die Straftaten gingen oft wie Wellen durchs Viertel, vom selben Delikt viele zugleich. Insgesamt sehen die befragten Beamten keinen Unterschied zur Vor-Corona-Zeit.
Gründe für die Differenzen zur Kriminalitätsstatistik
Die Forscher nennen zwei Gründe für die Unterschiede zwischen den Statistiken: Durch die Zuwanderung leben deutlich mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland. Auch wenn sie kriminell wären wie der Durchschnitt, steigt die absolute Zahl der Straftaten. Der andere Faktor sind Nachholeffekte nach Corona. „Das Austesten von Grenzen wird nachgeholt“. Dieser Faktor könnte in den Folgejahren wieder geringer werden.
Was Sozialarbeiter erleben
Der Artikel beschreibt einen Jugendarbeiter, der Polizisten zu einem Gespräch in ein Jugendzentrum eingeladen hat. Eigentlich war ein Gespräch über Messer geplant, aber es ging weniger darum, worüber gesprochen wird – sondern dass überhaupt gesprochen wird. Da die Beamten in Zivil auftraten konnten die Kinder ihr negatives Bild hinterfragen. Der Sozialarbeiter betont, dass es wenig Gewalt, aber sehr wohl Probleme gibt: Das Schulsystem passe für viele Jugendliche hier nicht, die Klassen seien zu groß, es fehle an Unterstützung. In der Jugendarbeit entstand deshalb eine Idee, negative Gefühle auszuleben: Boxhandschuhe und ein Boxsack: Die Aggression, so die Idee, ist weiterhin da, aber sie landet im Boxsack. Und nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik.