Bernd Ulrich fragt angesichts der umstrittenen Aktivitäten der „Letzten Generation“ in der ZEIT, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf.
Debatte um zivilen Ungehorsam
Er beschreibt zwei Formen der Radikalisierung – die der Klimakrise und die der Klimabewegung, die einhergehen mit einer Debatte über zivilen Ungehorsam. Diese Debatte geht lange zurück. Jürgen Habermas hat mit ihn bereits 1983 als Testfall für die Demokratie bezeichnet.
Er kritisiert beide Seiten der aktuellen Debatte. Einerseits schießt die Kritik an den Aktivitäten übers Ziel hinaus, wenn Bezüge zum RAF-Terrorismus hergestellt werden. Andererseits kritisiert er die Argumentation der Aktivisten die die Beschädigung von Kunstwerken ins Verhältnis zur Zerstörung der Welt setzen: Niemand darf sich selbst einen Blankoscheck geben.
Regeln für zivilen Ungehorsam
John Rawls hat Regeln formuliert: Ziviler Ungehorsam darf nicht versuchen, sich der Strafe zu entziehen. Die Bereitschaft sich zu stellen verweist auf den Respekt vor dem Rechtsstaat. Außerdem darf Ungehorsam immer nur symbolisch sein, der Wille. Der Autor nennt dies „Die Verbeugung des Menschheitsproblem vor der Mehrheitsregel“.
Das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts
Das Urteil vom 29. April verbietet eine Politik, jungen Menschen durch eine mangelhafte Klimapolitik die Freiheitsrechte zu nehmen. Gleichwohl kann z.B. der Verkehrsminister nicht verhaftet werden, obwohl er offensichtlich gegen diesen Geist verstößt
Nicht nur aufgrund dieses Urteils sollte die Politik die Klimakrise und den dramatischen Zeitdruck ernster nehmen. Der Autor hält es deshalb für falsch, die ungehorsamen jungen Menschen als kriminell zu bezeichnen, "sonst könnten sie einen selbst im Gegenzug womöglich ebenfalls als Verfassungsbrecher bezeichnen. Wer wen dabei mit mehr Recht kriminalisiert, das lassen wir hier mal lieber: in der Schwebe."