Katharina Riehl beschreibt in der Süddeutschen Zeitung, was man aus den Corona-Jahren lernen kann: Nicht jeder Impfgegner war ein Querdenker. Und nicht jeder Pazifist ist ein Putin-Freund
Die Folgen der Pandemie sind bis heute spürbar
Vor fünf Jahren erstickte die Pandemie das öffentliche Leben in Deutschland. Hängen bleiben wird Merkels Satz fünf Tage, nachdem deutschlandweit die Schulen geschlossen wurden: „Die Lage ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Die Folgen sind bis heute spürbar, z.B. die Bildung und Psyche von Kindern, die wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen – die heute versuchen, ihre Mitarbeiter wieder regelmäßig ins Büro zu locken.
Die Pandemie hat das Vertrauen in die Politik beschädigt
Die Pandemie hat ideologische Grabenkämpfe in der Gesellschaft verursacht, die bis heute anhalten. Sie hat zum Erstarken der AfD und dem sinkenden Vertrauen in Politik und Medien beigetragen. War im ersten Jahr steig das Vertrauen, in Zeiten von Unsicherheit rücken Bevölkerung und Staat zusammen. Dann sank das Vertrauen: Der Lockdown wurde zum Symbol eines Staates, der die Rechte seiner Bürger einfach außer Kraft setzt
Aufarbeitung dringend notwendig
Es entstand eine tiefe Spaltung: Ein Teil der Bevölkerung fordert härtere Maßnahmen inklusive einer Impfpflicht, lehnte ein anderer Teil alle Übergriffe mit zunehmender Härte ab. Ein Grund für den Erfolg von Sahra Wagenknecht im Osten ist neben dem Krieg die nicht aufgearbeitete Pandemiepolitik. Hier sieht die Autorin dringenden Nachholbedarf. Dabei muss es auch darum geht, dass die Fehler von damals nicht heute unter anderen Vorzeichen wiederholt werden. Die Regierungsbildung ist aktuell aber im Moment durch die nächste existenzielle Krise geprägt: Donald Trumps Politik und die daraus folgende Forderungen nach mehr Geld für die Aufrüstung.
Damals wie heute darf man nicht einfach alle Zweifler zum Schämen in die Ecke schicken
Als größten Fehler der Pandemiejahre bezeichnet die Autorin, den moralischen Rigorismus, mit dem alle Kritik verteufelt wurde - – auch berechtigte Kritik wie etwa die an den langen Schulschließungen. Es wäre notwendig gewesen, inhaltlich nicht von den Fakten abzuweichen, aber bei der Kommunikation nicht alle Zweifler zum Schämen in die Ecke zu schicken.
Bei der heutigen Debatte treffen die politischen Erzählungen von AfD und Wagenknecht auf fruchtbaren Boden, dass man einfach zu Wladimir Putin etwas netter sein müsse. Diese Gruppe könnte größer werden und überschneidet sich mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen. Auch hier dürfen Fakten nicht ignoriert werden, aber: Nicht jeder Impfskeptiker war ein Querdenker und nicht jeder Pazifist ist ein Handlanger des russischen Diktators. Gerade wenn Deutschland aufrüstet, muss es verbal abrüsten.