Der Soziologe El Mafaalani hat ein Buch über die Lage von Kindern (Minderheit ohne Schutz) geschrieben und geht dabei der Frage nach, wie man die Jugend nur so übersehen konnte. In einem Artikel im SPIEGEL und einem Interview in der Süddeutschen Zeitung berichtet er
Minderheitenschutz für Kinder
In seinem Artikel im SPIEGEL fordert Aladin El-Mafaalani einen Minderheitenschutz für Kinder, denn die alternde Gesellschaft ist weder kindergerecht noch ist sie gerecht zu Kindern.
Abwärtstrend in allen Bereichen
Der Soziologe analysiert Probleme in allen Bereichen, die Kompetenzen der Schulkinder sind rückläufig, es fehlen Kita- und Schulplätze, das Armutsrisiko ist höher und auch Wohlbefinden und Gesundheit leiden.
Ausnahme als Normalzustand
Am Beispiel des Jahrgangs 2007 zeigt er die Probleme. Als sie acht Jahre alt waren, erlebten sie die Flüchtlingskrise, ihre Sporthallen dienten als Massenunterkünfte. Mit 13 zwang sie die Coronapandemie zum Stillstand. Sie wurden am stärksten eingeschränkt und benachteiligt. Nach der Pandemie folgten von 2022 an der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die Inflation – und wieder Geflüchtete in den Schulen. Hinzu kommen die Klimakrise, der Aufstieg des Rechtspopulismus und gestresste Eltern und Lehrer.
Wie konnten wir die Jungen so übersehen?
Als diese Generation die schlechtesten Ergebnisse bei der PISA-Studie seit 2000 ablieferte, wurde die nüchtern zur Kenntnis genommen. Die Ergebnisse der Europawahl wurde mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Statt zu fragen, was mit der Jugend los ist, sollten wir fragen, wie wir die Jungen nur derart übersehen konnten.
Eine Antwort: Weil es so wenige sind, andererseits können die Eltern die Interessen nicht wirkungsvoll vertreten. Sie haben nicht die Zeit und sind ihrerseits eine demokratische Minderheit. Dies führt zu eine Form der Diskriminierung: »Adultismus«, also die strukturelle Benachteiligung der Jüngsten.
Da die Zahl der Kinder weiter abnimmt und das Durchschnittsalter steigt, wäre ein Minderheitenschutz und zukunftsorientiertes Handeln dringender denn je.
Mindestens fünf große Baustellen
Der Autor identifiziert mindestens fünf zu bearbeitende Baustellen:
Familien müssen entlastet werden: mehr Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten
Ohne die Alten geht es nicht. Es gibt viele Ältere mit Zeit und Lebenserfahrungen: würden sie sich stärker engagieren, könnten Kindergärten und Schulen entlastet werden, auch mit materiellen Anreizen. Die vielen Alten müssen ein substanzieller Teil der Lösung werden.
Die Bildung muss erheblich gestärkt werden. Dazu zählen mehr Geld und Personal, aber auch Verantwortung. Sie müssen attraktive Lern- und Lebensorte werden.
Die Rechte von Kindern müssen explizit Verfassungsrang bekommen. Juristisch mag richtig sein, dass Grundrechte auch für Kinder gelten, Ergänzungen sind aber nicht nur ein Symbol, sondern entfalten gesellschaftliche Wirkung.
Mehr Mitbestimmung: Demokratien haben eine schwache Zukunftsorientierung, schon bald werden die Rentner die stärkste Wählergruppe ein. Jugendliche müssten deshalb die Chance erhalten, zu politischen Akteuren zu werden. Dazu zählt eine Absenkung es Wahlalters auf 16 und ein effektiver politischer Minderheitenschutz für junge Menschen.
Die Zukunft im Blick
Zukunftsräte mit jungen Menschen zwischen 10 und 30 Jahren sollten sämtliche wichtigen Beschlüsse im Hinblick auf Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit prüfen, diskutieren, kommentieren.
Entscheidungen würden weiterhin von den demokratisch legitimierten Parlamenten getroffen, sie müssten sich aber ständig mit den Forderungen auseinandersetzen. Die Zukunft käme in den Blick.
Viele der heute 17 und 18jährigen werden die nächste Jahrtausendwende erleben. Deshalb erscheinen diese weitreichenden Maßnahmen gerecht: Wie sollen wir diesem Zeithorizont und all dem, was da kommt, gerecht werden, wenn nicht mit extrem weitreichenden Maßnahmen?
In der analogen Welt stören Kinder immer
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung konstatiert El-Mafaalani „In der analogen Welt stören Kinder immer“
Es gibt auch Positives
Zu Beginn des Interview berichtet El Maffaalani über etwas Positives: Das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern sowie zwischen Enkeln und Großeltern ist derzeit sehr gut. Die reinen interaktions- und Kommunikationsphasen haben die höchsten jemals gemessenen Werte. Positiv sind auch bessere Englischkenntnisse, die haben aber wahrscheinlich nichts mit der Schule, sondern eher mit Netflix zu tun.
Gestresste Eltern
Die mentale Last der Eltern ist groß, trotz Neuerungen wie Elterngeld oder Rechtsanspruch auf Kitaplatz. Die höchste Müttererwerbsquote gibt es in einkommensschwachen Familie. Es geht also schlicht darum, nicht unter die Armutsgrenze zu fallen. Kinder werden oft nur noch dann wahrgenommen, wenn sie stören oder nicht funktionieren? Die digitale Welt ist längst ein Beruhigungsmittel, weil Kinder und Jugendliche zu wenige andere Möglichkeiten haben.
Zu wenig Angebote und Räume
Der Soziologe beklagt, dass es zu wenige Räume gibt, in denen sie sich einfach mal ausprobieren oder auch nur austoben kann, sind sehr rar. Es lässt sich nicht einfach klären, ob Kinder erst verdrängt wurden und sich deshalb in die digitalen Räume zurückgezogen habe oder umgekehrt.
Wenn sich Jugendliche dann mal draußen treffen, drohen die ersten mit der Polizei
Große Heterogenität
Die Heterogenität der Familien– die Lebensbedingungen, die Interessen, die Sprachen, die gesprochen werden, die finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen, die Religionen – ist so groß wie nie. Was sie allerdings alle eint: Sie haben keine Zeit.
Junge Männer wählen rechts, weil die Frauen an ihnen vorbeiziehen
Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Wahlergebnisse auseinander gehen: Während Männer zunehmend rechts wählen, werden junge Frauen eher noch linker. Ein Grund könnte sein, dass die Frauen den Männer in vielen Bereichen überlegen sind. Allerdings fehlen verlässliche Studien. Eine weitere These ist, dass junge Menschen einfach diejenigen wählen, die sie direkt ansprechen und zumindest mal ein paar ihrer Probleme benennen. Dies ist ein Grund für die Wahl von AfD und Linken, denn die Die anderen Parteien haben junge Menschen auf eine desolate Art und Weise ignoriert.
Kulturwandel nötig
Auch im Interview fordert der Soziologe einen radikalen Kulturwandel: mehr teilhabe, mehr Mitbestimmung Bildungseinrichtungen sollen Familien nicht ersetzen, müssen aber Aufgaben , die
Außerdem fordert er einen Minderheitenschutz, die mit einer besseren Wahrnehmung verbunden sein könnten. So könnten ausweisen, was Unter-30-Jähgike dazu meinen. In einigen Fällen könnte dies bedeuten: Deutschland ist dafür, aber diejenigen, die es ausbaden müssen, sind dagegen.